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Mitteilung 2021-02-10 [Sandra Künzi: «Die Hülle»]

Betrifft: Interview mit Sandra Künzi zu ihrem neuen Text «Die Hülle».

Sandra Künzis neuer Text «Die Hülle» erscheint heute (10.2.) bei www.essaisagites.ch. Hier beantwortet Sandra ein paar neugierige Fragen von www.literaturschweiz.ch.

In «Die Hülle» literarisierst du genüsslich den Diskurs rund um die Burka-Initiative. Ist die Literatur dafür «geeigneter» als «Arena», WWW, Zeitungen & Leserbriefseiten? 
Ich denke, Literatur hat mehr Narrenfreiheit, und die Protagonistin von «Die Hülle» ist ja eine Närrin. Sie ist unbedarft, furchtlos und stellt sich wohl etwas dümmlicher, als sie ist. Sie ist keiner Partei etwas schuldig, nicht wie die Teilnehmenden der «Arena». Sie identifiziert sich nicht mit «richtig» oder «falsch», wie so viele Schreiber*innen von Leserbriefen oder Kommentaren. Sie hat eigentlich keine Meinung zu dem Thema, die sie unbedingt durchzwängen muss. Dieses entspannte Konzept macht sie narrenfrei. Und Literatur im Sinne von Narration, also Erzählung, hat hier durchaus mehr Möglichkeiten als der Meinungszwang der Realität, den wir offenbar haben, vor allem bei Themen, die Grundwerte betreffen.

In deinem Text tingelt die Ich-Erzählerin als Burkaträgerin verkleidet durch Talkshows: «Ich war in eine Marktlücke gefallen. Ich wurde von einer Sendung zur anderen engagiert.» Wie kommst du auf die Idee zu dieser Satire? 
Es war mir klar, dass ich viel zu wenig über den Islam als Religion, aber auch über die politischen Programme der Strömungen weiss, die sich mit dem Islam in Zusammenhang stellen. Mir war von Anfang an klar, dass ich mir kein Halbwissen aneignen wollte, denn es geht in dieser Geschichte nicht um die Burka oder den Islam, sondern um unsere Projektionen. Daher wollte ich keine «echte» Muslimin, auch keine konvertierte Muslimin, sondern eine Person, die zwar Burka trägt, aber nichts damit zu tun hat.

Du schreibst: «Man konnte sich fragen, was die Leute wütender gemacht hätte: Eine Frau, die Burka nur aus modischen Gründen trägt, ohne irgendwelche Werte dahinter, oder eine Frau, die von sich aus ohne Mann aus religiösen Gründen Burka trägt.» Was vermutest du persönlich macht die Leute hässiger? 
Gute Frage. Ich denke Letzteres. Eine Frau ohne Mann, aber mit Burka widerspricht der gesamten Argumentation, wie sie die SVP führt, die auf einmal feministische Anliegen vorschiebt und die Frauen schützen will … Wenn eine Frau diese Stoffhüllen anziehen will, weil sie es als Ausdruck ihres Glaubens erachtet, dann mag das vielen unverständlich erscheinen, aber es lässt sich nicht viel dagegen einwenden. Und diese Unkontrollierbarkeit der Frau dürfte die Leute eher wütend machen oder mindestens mehr verunsichern, als die Burka als Modegag. 

Von einem Talkshowmoderator schreibst du: «Der Moderator zog genüsslich an seiner imaginären Pfeife und liess mich schmoren.» Gibt es einen Moderator, den du so richtig gerne in der Pfeife rauchen würdest? 
Ich bete Klischees runter in diesem Text. Asche auf mein Haupt. Ob sie sich wirklich so finden lasse? Ich denke auf alle Fälle nicht an einen bestimmten Moderatoren, ich kreiere hier ein überhöhtes Bild von männlichen Moderatoren oder von Männlichkeit: von Selbstgefälligkeit. Aber ich weiss natürlich, der Journalismus ist in der Krise: Wenig Zeit für Recherche und der Druck, aktuell, investigativ und erregend zu sein. Stellenabbau rundherum. In diesem Setting entstehen billige Formate mit oberflächlichen Beiträgen. Die Pfeife ist für mich Ausdruck des alten weissen Intellektuellen … ein Seitenhieb.

Mit welchen Gefühlen verfolgst du die Debatte rund um die Burka-Initiative?
Mit gemischten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angenehm ist, mit einem solchen Stoffmantel leben  zu müssen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ein Mensch das freiwillig gerne tut. Aber der freie Wille ist vermutlich eine Illusion. Wir sind sehr anpassungsfähig und dazu gehört es auch, dass wir geringere Übel in Kauf nehmen und denken oder glauben, dass wir es freiwillig tun. Wir tun es ja auch freiwillig, weil das andere gefährlicher wäre. Es ist eine Entscheidung. Aber bei Niqab oder auch bei der Burka frage ich mich schon, ob Argumente wie: «Jede Frau soll frei entscheiden, was sie tragen will», oder: «Wir mischen uns nicht in die Traditionen Anderer ein»  passen. Ich halte den Niqab und die Burka für frauenfeindlich. Dennoch stimme ich gegen die Initiative, weil solche  konkreten, spezifischen Vorschriften aus meiner Sicht nicht in die Verfassung gehören. Die Gleichstellung von Mann und Frau gehört in die Verfassung, und sie ist es auch. Auch wenn es in der Umsetzung hapert. Aber das ist eine andere Geschichte. Es ist für mich als Feministin sehr schwierig, in dieser Verhüllungsdebatte und konkret bei dieser Abstimmung zu entscheiden.

Von einem besonders unsympathischen Talkshowteilnehmer und Anti-Burka-Zeloten schreibst du: «Er pries den Einsatz seiner Mutter für die Emanzipation, als wäre es seine eigene Errungenschaft.» Mit welchen Gefühlen siehst du gewisse Burka-Initiativenbefürworter auf 50 Jahre Frauenstimmrecht Bezug nehmen?
Diese Szene beschreibt das unangenehme Gefühl, das uns überkommt, wenn wir uns auf einmal auf derselben Seite wiederfinden wie neoliberale Männer, Traditionalisten, denen die Freiheit der Anderen, in puncto ihrer Lebensform, Sexualität oder Identität normalerweise ein Dorn im Auge ist, die aber jetzt auf einmal feministische Parolen schwingen. Das ist nicht nur unglaubwürdig, sondern auch unangenehm, weil wir es uns ja wünschen würden, dass sie unsere Werte übernähmen … Es ist aber auch ein Phänomen, dass revolutionäre Ideen oder Bewegungen okkupiert und zum Mainstream werden. Im Fall der rechtsbürgerlichen Männer, die gegen die Burka oder den Niqab sind und dafür Frauenrechte ins Feld führen, gehe ich allerdings von einem einmaligen Ausreisser aus. Naja, sie dürften immerhin mehrheitlich auch der Meinung sein, dass es richtig ist, dass Frauen abstimmen dürfen … hoffe ich zumindest.

Du bist auch Musikerin. Welche Musik empfiehlst du als Begleitung zu deinem Text?
Oh, das ist eine richtig schöne Frage! Danke dafür. Ich glaube, die neue Scheibe «Sweet mortality» der Zürcher Band Annie Taylor passt perfekt. Gitarrenrock, straight und mit viel Freiheitsgefühl. Eine Frau, die den Ton angibt – eine sympathische Band. Alle haben lange Haare, Mähnen und sie machen nicht nur tollen Sound, sondern auch tolle Videos. 

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