Darin finden sich schemenhaft Züge der Autorin wieder, die sich dem Ich bedient, aber auch dem Du, dem Ihr oder dem unpersönlichen Er. Hier kommt das Unbehagen einer Heranwachsenden zum Ausdruck, die überdurchschnittlich grossgewachsen ist. Die körperlichen Normen, die auf den Frauen lastet, werden in den Erzählungen über erlittene Erniedrigungen in der Schule oder beim Arzt besonders deutlich. In anderen, unbeschwerteren Texten sind wiederum Vergnügen und Freude bestimmend. Und auch hier stecken wohl ebenso erlebte Anekdoten wie inszenierte Wunschvorstellungen dahinter.
Das literarische Schreiben dient in diesem einzigartigen Werk dazu, sich über Normen hinwegzusetzen und Erinnerungen so zu verändern, dass man in ihnen besser wegkommt – und so bei den eigenen Kindern in ein gutes Licht rückt – und aber auch dazu, den Leserinnen und Lesern ein komplizenhaftes Lächeln zu entlocken. Die Zweitauflage von « Inventaire des lieux » erscheint Anfang 2017 und enthält zusätzliche, bisher unveröffentlichte Texte über weitere Orte. (ng)
Schweizer Literaturpreise 2017
Vom «Hotelzimmer» über die «Wiese» oder den «Abgrund» bis hin zur «Rumpelkammer»: Laurence Boissier präsentiert ein Inventar von 61 öffentlichen oder privaten, alltäglichen oder exotischen und bisweilen gar ein wenig albernen Orten. Die sehr kurzen, in der Gegenwart oder Vergangenheit und meistens aus der Ich-Perspektive erzählten Geschichten werden von der schwungvollen Energie und dem trockenen Humor einer bissigen Moralistin getragen. Das Werk zeichnet sich aus durch ein grosszügiges Format und edles Papier, was das Lesevergnügen noch zusätzlich steigert. (Eidgenössische Jury für Literatur)
Übersetzung des Titels: Inventur der Orte
éditions d’artistes, Lausanne 2016
ISBN: 978-2-940570-02-7