Noëmi Lerch erzählt mit einer ausgesprochen sparsamen, poetischen Sprache. Sie fängt flüchtige Momente und Empfindungen ein, lässt Bilder kurz aufblitzen, ohne sie auszumalen. Nur selten gerät sie für Momente ins sprudelnde Erzählen, um sogleich wieder innezuhalten. Ihre minimalistisch gesetzte Prosa lässt so auf den Textseiten viel weissen Freiraum. Diesem antwortet jeweils gegenüberliegend ein schwarzes Schabkartonbild des Künstlerduos Walter Wolff. Auf diese Weise entsteht ein regelmässiges Wechselspiel von Dunkel und Hell, Bild und Text. Noëmi Lerch, die das Leben auf der Alp aus eigener Erfahrung kennt, zeichnet in „Willkommen im Tal der Tränen“ kein Heimatidyll, ihre drei Protagonisten sind keine Muster an Tugendhaftigkeit. Eingebettet ins tägliche Einerlei, bei Wind und Wetter, erfahren sie sich als bescheidene Rädchen in einem grösseren, kosmischen Ganzen.
(Beat Mazenauer)
Schweizer Literaturpreis 2020
Verlag die Brotsuppe, Biel 2019
ISBN: 978-3-03867-015-5