Der Roman "Der Held" greift das Thema des Balkankriegs der 1990er Jahre auf, das Jahrzehnte später noch brennbar ist. Er erzählt von Ana Tironi, der Frau eines gefallenen Leutnants, die Gewissheit über dessen Tod sucht. Er kam unter nicht restlos geklärten Umständen bei einer Kommandoaktion um. Dafür verantwortlich waren der General Modoran, ein Kriegsheld, der eben aus dem Gefängnis von Den Haag frei gekommen ist. Als dessen Haushaltshilfe erhält sie Einblick in den Briefwechsel, den Moldoran mit dem damals gegnerischen Befehlshaber Bartok führt, der noch auf seinen Haager Prozess wartet. In Gefangenschaft sind sie sich nahe gekommen. Trotz ihrer alten Feindschaft verbindet sie das Militärische.
Karl Rühmann baut dieses Dreiecksverhältnis ausgesprochen raffiniert auf und verzahnt die divergierenden Perspektiven gekonnt ineinander. Welche Schuld wiegt mehr: der Verstoss gegen strategische Überlegungen oder ein paar Kollateralschäden unter Zivilisten? Die beiden netten Pensionäre verraten nach und nach ihre diabolisch berechnende Seite, die sie neuerdings gegeneinander aufbringt. Indem er die Rollen von Gut und Böse nicht im voraus klar verteilt, gelingt es ihm auf eindrückliche Weise, die Lesererwartungen zu erschüttern. „Der Held“ erzählt ein gewichtiges Thema mit überzeugender Intimität, frei von Pathos und mit grosser Nachdenklichkeit.
(Beat Mazenauer)
Ruffer & Rüb, Zürich 2020
ISBN: 978-3-906304-63-2
Was ist wahr, was erscheint nur so? Um solche Fragen geht es in „Die Wahrheit, vielleicht“ von Karl …