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Gerhard Meister

Ein Mann in rosa Hemd und Hippiehosen

Toleranz Erlaubt ist, was nicht stört?

Ob so was auch in Bern vorkommt oder in Basel, ich weiss es nicht, ich bin in Zürich ins Tram gestiegen, in die Nummer Zwei Richtung Bellevue.

Der Grund, weshalb es im hinteren Teil noch so viel Platz hat, während die Leute vorne dicht gedrängt stehen, dringt rasch in meine Nase. Es ist ein penetranter Geruch nach Scheisse, wer sich von ihm nicht vertreiben lässt, den schützt ein heftiger Schnupfen oder er hat seinen Geruchssinn verloren.

Interessanterweise sind die wenigen Passagiere, die den Gestank aushalten, alle Männer. Auch derjenige, der den Gestank in seiner Hose aushält, ist ein Mann. Will er uns etwas sagen mit seinen vollgeschissenen Hosen?

Will er sagen, von mir aus, wenn ich nichts mehr wert sein soll, wenn ihr mich behandelt wie ein Stück Scheisse, so bekommt ihr sie eben von mir?

Steckt demnach ein letzter Rest Selbstbehauptungswille in dieser Scheisse in seinen Hosen, ist sie seine letzte Verteidigungslinie vor dem Untergang, schiesst (scheisst?) der Mann zurück mit dem letzten, was er noch hat?

Aber aggressiv oder trotzig sieht der Mann nicht aus, im Gegenteil, er wirkt verunsichert.

Vielleicht ist es der durchdringende Gestank, der ihn verunsichert, dieser Gestank, dem er nicht ausweichen kann, den er nicht los wird, wenn er sich in den vorderen Teil des Trams flüchtet.

Vor dem Mann steht ein Rollgestell, drauf gepackt ein Gitarrenverstärker. Auf dem Verstärker ein Plastiksack. Aus dem zieht er nervös ein Buch, aus der Distanz kann es ebenso gut die Bibel sein wie das Kapital, jedenfalls ein dickes Buch, er versorgt es wieder.

Steht dann da in seinem rosa Hemd mit den aufgestickten Blumenmustern und den weiten Hippiehosen, mit seinem Gestank, den er verbreitet.

Ist es übrigens legal, was der Mann tut?

Darf man mit vollgekackten Hosen in ein Tram steigen?

Und falls nein, gibt es ein Äquivalent an Schweiss- oder Parfümdurchtränktheit, das ebenfalls sanktioniert wird?

Darf man im Tram laut sprechen?

Und darf man das auch ohne sichtbaren Gesprächspartner?

Oder geht das nur mit umgehängten Kopfhörerkabeln?

Ein paar Tage vorher hatte ich in der gleichen Stadt ebenfalls im Tram folgende Szene beobachtet: Ein Mann, dem Äusseren nach locker drauf und tolerant, erstattete beim Tramführer die Meldung, im hinteren Tramwagen befände sich ein Mann, der laut mit sich selber spreche. Es sei harmlos, aber irgendwie, so sein Wort, spooky.

Am Paradeplatz steigt er aus, mit seinem Fleck hinten auf der Hose mischt er sich unter die Passanten, geht über das Pflaster, unter dem die Goldschätze aus aller Welt aufgehäuft sind, stösst den Gitarrenverstärker auf dem Rollgestell vor sich her, mit unsicheren Schritten, aber, wie es scheint, doch mit einem Ziel vor Augen.

Irgendwo in dieser Stadt hat er etwas zu erledigen, irgendwo wird er vielleicht sogar erwartet.

Ein Blog-Beitrag von «Bern ist überall» im Journal B. Zuletzt: Von Monsieur Burkhalter und jener Fremdsprache, die für viele keine sein soll von Beat Sterchi.

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