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Mitteilung 2020-07-20 [Interview mit Stephan Bader – «Literarischer Monat»]

Betrifft: Interview mit Stephan Bader vom «Literarischen Monat».

- Seit wann/wie vielen Ausgaben bis du leitender Redaktor des LM?
Seit Anfang 2018 und zehn Ausgaben.

- Welches ist deine Lieblingsausgabe von den Nummern, die du verantwortet hast?
Diese Antwort fällt mir schwer. Die Erkundungen im Grenzgebiet zwischen Literatur und Musik («Elements of Rhyme», Dezember 2018) waren mir ein besonderes Anliegen. Ich war aber auch begeistert von der Qualität der Texte in der Ausgabe vom Juli 2018, die wir dem Thema Übersetzen gewidmet haben – was eine der Hauptthesen des Heftes bestätigt hat, nämlich, dass auch Übersetzer Autoren sind – und was für welche! Dann die «Röstigraben»-Ausgabe – ich bin beim LM überhaupt grosser Fan der Literatur der Romandie geworden. Das Doppel-Interview mit Adolf Muschg und Thomas Hürlimann und die besondere Gestaltung in der Gottfried-Keller-Ausgabe. Ach, ich fand einfach das allermeiste gut, vielleicht sollten das andere beurteilen.

- Nach 41 Ausgaben und fast 10 Jahren ist Schluss mit dem LM. Warum?
Wägem Gäud. Der SMH Verlag, der auch den «Schweizer Monat» herausgibt, hat sich entschieden, den «Literarischen Monat» nicht länger zu finanzieren. Der LM hat keinen riesigen, aber halt doch einen jährlichen Verlust eingefahren, und das wäre auch so geblieben.

- Warum erscheint die letzte Nummer zum Sommerloch im Sommerloch?
Du meinst, damit's möglichst keiner merkt, dass hier etwas verschwindet? Nein, solche Überlegungen haben keine Rolle gespielt.

- Wo siehst du aktuelle Herausforderungen der Literaturkritik?
Zu diesem Thema verweise ich elegant auf mein Gespräch mit Philipp Theisohn, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Uni Zürich, und seinem Kollegen und ehemaligen «Entwürfe»-Redaktor Christoph Steier in der aktuellen Ausgabe. Alles, was die beiden sagen, kann ich unterschreiben.

- Die «Entwürfe» gibt es nicht mehr, der LM ist weg – woran scheitern Literaturzeitschriften?
Ein Geschäft war eine Deutschschweizer Literaturzeitschrift ja meines Wissens noch nie und konnte es auch nie sein. Das heisst also, man braucht einen Verlag und Geldgeber, die sagen: Diese Debatten sind es wert, trotzdem geführt zu werden, weil sie relevant sind. Das scheinen Verlags-Entscheider derzeit (und nicht nur beim SMH-Verlag, der sich den LM samt Defizit aber immerhin fast 10 Jahre lang geleistet hat) leider nicht zu finden. Und was das Stichwort «Plattform für das hiesige Literaturschaffen» betrifft, hat die öffentliche Literaturförderung leider einen Bug, da sie Zeitschriften von der Förderung ausschliesst. Das hiess bei uns, dass Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur zwar sehr wichtige und verlässliche Partner waren, aber nur zu ihren Richtlinien passende Inhalte fördern konnten, nicht den LM an sich. Die kopfbezogene Förderung für Autorinnen und Autoren funktioniert recht gut, Strukturen dagegen fallen unter den Tisch. Und eine Zeitschrift braucht nun mal so eine Struktur mit Redaktion, Verwaltung, Gestaltung, Druck, Versand. Das macht die Hauptkosten aus. Auch viele private Stiftungen, die Kultur fördern – daran mangelt es ja in der Schweiz eher nicht – schliessen Zeitschriften oder überhaupt Publikationen aus. Übrigens ist dieser Bug noch recht neu: 2015 sollte die Zeitschriftenförderung Sache des Bundes und recht grosszügig ausgestattet werden. Im letzten Moment strich das neu gewählte Parlament – das war nach dem oft zitierten Rechtsruck – genau diesen Passus aus der Kulturbotschaft für die Folgejahre. Da hatten sich viele Stiftungen inklusive Pro Helvetia schon neu aufgestellt.

- Die hiesige Szene ist klein. Wie kann man da für professionelle Distanz zwischen Schreibenden und Journalistinnen sorgen?
Ich glaube, nur begrenzt. Wir haben es redlich versucht, haben durchaus bewusst eine Aussenseiterposition eingenommen und wollten nicht zu nah ran an die Szene und schon gar nicht mitten hinein. Bei den Rezensionen haben wir das recht gut durchgehalten und uns auch ca. einen empörten Brief pro Ausgabe eingehandelt. Aber ein gewisses Mass an persönlichen Begegnungen ist fast unvermeidlich, und dass das völlig ohne Einfluss darauf wäre, wer dann im Heft vorkommt, hiesse, die Augen vor den Tatsachen zu verschliessen. Auch bei uns gab es Lieblinge – natürlich immer aus gutem Grund, also weil sie gut waren und anderswo völlig zu Unrecht viel zu wenig vorkamen.

- Was wirst du von deiner Tätigkeit als leitender Redaktor am meisten vermissen?
In der Regel sind wir auf grosse Offenheit gestossen, wenn wir mit unseren Ideen auf Autorinnen und Autoren zugegangen sind. So sind tolle Begegnungen und Beiträge entstanden. Als Redaktor im engeren Sinne war es ein Privileg, Texte zu redigieren, die in der Regel schon im ersten Anlauf gut waren und denen die Lust am Umgang mit der Sprache anzusehen war. Dann gemeinsam mit den Autorinnen und Autoren noch an den letzten paar Prozent zu arbeiten: wunderbar!

- Was davon wird dir keine Sekunde lang fehlen?
Bücher lesen zu müssen. Alle Neuerscheinungen schafft man selbst in der kleinen Schweiz nicht. Mein Behelfs-Grundsatz war, von jedem Schweizer Buch, das der Redaktion zugeschickt wurde, mindestens 30 Seiten zu lesen. Aber auch die kamen mir manchmal lang vor. Umso schöner die unerwarteten «Wow»-Erlebnisse.

- Die Homepage des LM soll noch bis Ende Jahr vereinzelt Texte bringen – warum?
Nennen wir es ein Hintertürchen. Es ist derzeit zwar eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass die Geschichte eine Fortsetzung in der einen oder anderen Art erfährt. Vielleicht heisst das dann nicht mehr «Literarischer Monat», vielleicht wird es nicht mehr gedruckt, vielleicht sogar doch. Der Eindruck, dass es schade um das Erbe der letzten zehn Jahre wäre, wenn das alles ganz verschwände, bleibt. Vielleicht hab ich es aber auch einfach noch nicht ganz verwunden, dass es nun vorbei sein soll. Jetzt gibt es auf jeden Fall erst mal einen Schnitt, den Rest wird man sehen.

- Habt ihr im Verlag auch andere mögliche Modelle besprochen, den LM in der einen oder anderen Form am Leben zu erhalten?
​Ja, und wir haben auch als Redaktion die Gelegenheit erhalten, kostengünstigere Szenarien aufzuzeigen. Es wurde nicht einfach von heute auf morgen alles gekappt, und der Verwaltungsrat war auch nicht so unrealistisch, dass er gefordert hätte, wir müssten Profit abwerfen. Das lief soweit fair. Aber das Heft war sowieso schon sehr knapp kalkuliert, und letztlich hat es keinen Sinn, wenn es in einem ohnehin schwierigen Umfeld schon am internen Support mangelt. Es war deshalb relativ schnell klar, dass eine Fortführung, wenn überhaupt, nur als Neustart ausserhalb des bisherigen Verlags funktionieren kann. 

Stephan Bader ist seit 2018 leitender Redaktor des «Literarischen Monats». Darüber hinaus arbeitet er für die europäische Debatten-Presseschau Euro|Topics sowie als freier Journalist, Texter und Übersetzer.

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