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Fragebuch #6 – Niko Stoifberg

Niko Stoifberg füllt das Literaturschweiz.ch-Fragebuch aus.

- Welches ist mein schrecklichstes Literatur-Erlebnis?
Paulo Coelho. Nicht nur mein schrecklichstes Literatur-Erlebnis, sondern mein schrecklichstes Erlebnis überhaupt. Und ich bin sicher, das würde ich auch sagen, wenn ich im Krieg zwei Beine und einen Kopf verloren hätte.

- Welches ist mein schönstes Literatur-Erlebnis?
Als ich in die Schule kam und die Geschichten, die uns der Vater vorlas, schon kannte, weil ich sie heimlich vorgängig gelesen hatte.

- Was ist die dümmste Literatur-Frage, die mir je von einer Journalistin oder einem Journalisten gestellt wurde?
«Was haben Sie eigentlich gegen Paulo Coelho?»

- SchriftstellerInnen sollten a) fleissig sein, b) faul sein, c) nicht wie Paulo Coelho sein.

- Betrunken schreiben kann ich a) besser, b) schlechter, c) mich nicht erinnern.
Antwort a) im Sinne von: produktiver. Man hinterfragt viel weniger, schreibt einfach drauf los. Besser im Sinne von «qualitätsvoll» ist das natürlich nicht. Aber immerhin steht dann schon mal etwas da, woran man sich später abarbeiten kann.
PS: Kennt ihr dieses Wort, «qualitätsvoll»? Ich habe es kürzlich entdeckt; es wird fast ausschliesslich in der Architekturszene verwendet. Komische Leute, diese Architekten.
PPS: Fällt es auf, dass ich diesen Fragebogen betrunken ausfülle?

- Betrunken lesen kann ich a) besser, b) schlechter, c) mich nicht erinnern.
Weder a) noch b), gelegentlich c). Aber das sind dann schon Härtefälle. Wenn ich zum Beispiel vom Stuhl falle und den Kopf an der Playmobil-Ambulanz der Tochter aufschlage.

- Welchen Text hätte ich richtig gerne selbst geschrieben?
Irgendeinen dieser religiösen Grundlagentexte, an den sich dann Millionen von Leute Tausende von Jahren halten, ohne dass irgendjemand zu sagen getraut, dass das doch im Grunde alles Mumpitz sei

- Welchen Text bin ich richtig froh, nicht selbst geschrieben zu haben?
Zur Wiederholung, weil es oben möglicherweise nicht deutlich genug zum Ausdruck kam: alles von Paulo Coelho.

- Hat mir schon mal jemand einen literarischen Einfall geklaut? Falls ja: wie rächte ich mich?
Ja! Nassim Taleb, der dreiste Kerl! Ich habe ihn vor Jahren mal an einem Apéro-Buffet getroffen, und wir haben uns über eine Beobachtung unterhalten, die ich mal in einer Kolumne festgehalten hatte: Dass nämlich die Leute früher sonntags schöne Kleider trugen, und werktags eher praktische, und dass das heute gerade umgekehrt sei. Diese – meine! – Feststellung stand dann plötzlich auch in Talebs Buch «Das Bett des Prokrustes» drin. Ohne Quellenangabe. Rächen werd' ich mich an ihm deshalb aber nicht, denn ich bin einigermassen sicher, dass mir etwas Ähnliches auch mal passieren wird. Oder vielleicht sogar schon passiert ist, ohne dass ich es gemerkt habe. Wir saugen ja ständig Zeugs auf, und meinen dann, es sei unser eigenes. Ich finde das nicht besonders problematisch, aber einigermassen interessant, zumal etwa die Chinesen diese Obsession mit «Urheberschaft» überhaupt nicht kennen. Eigentlich haben sie recht: Man kann ja eh nichts erschaffen, ohne auf Vorleistung anderer aufzubauen.

- Warum bezeichne ich mich eigentlich als: a) AutorIn, b) SchriftstellerIn, c) SchreibendeR, d) LiteratIn, e) ______________? Wie dauerte es, bis ich mich so bezeichnete?
Mir gefällt «Autor», weil es offenlässt, was man hervorbringt. Vielleicht hab’ ich ja mal Lust, einen sogenannten Autorenfilm zu drehen. Oder eine Autorenklobürste zu designen.

- Ich würde eher a) über das Wetter reden, wenn mir an einem Apéro nichts einfällt, oder b) über das Wetter schreiben, wenn mir nichts zum Schreiben einfällt. Warum?
Da mag ich mich nicht entscheiden. Es müsste viel mehr über das Wetter geredet werden und auch viel mehr über das Wetter geschrieben. Eigentlich müsste NUR über das Wetter geschrieben und geredet werden, mindestens so lange, bis der Klimawandel gestoppt ist.

Niko Stoifberg, geboren in Luzern/Schweiz, leitet die englische Redaktion bei getAbstract. Niko Stoifberg hat in der französischsprachigen Schweiz Germanistik studiert und als Eisverkäufer, Kellner, Briefträger, Cartoonist und Journalist gearbeitet. Eine Auswahl von Stoifbergs Kolumne «Vermutungen» erscheint als «Das Blaue Büchlein» mittlerweile in 3. Auflage. «Dort» ist sein erster Roman. www.stoifberg.com.

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