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Kurz notiert, schnell gelesen Die bibliophile Notiz für Kalenderwoche 43
«Während der Einvernahme durch eine Anklagebehörde ist es dem Beschuldigten erlaubt, ein Buch zu lesen. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht in Bellinzona in einem noch nicht veröffentlichten Entscheid. [...]
Das Gericht geht davon aus, dass der Beschuldigte zwar im Buch gelesen hat, dass er den Fragen der Bundesanwaltschaft aber trotzdem hat folgen können. Im Weiteren habe er die geordnete Durchführung der Einvernahme nicht behindert, weil durch das Lesen eines Buches keine störenden Geräusche entstünden – «im Gegensatz zum Lesen einer Zeitung», wie es im Beschluss heisst. Auch eine Verletzung des Anstands liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor, vielmehr sei das Lesen eines Buches als «aktive Ausübung des Aussageverweigerungsrechts» einzustufen. Der Entscheid kann nicht angefochten werden, er ist rechtskräftig.
Gegen den Beschuldigten ermittelt die Bundesanwaltschaft seit über acht Jahren wegen gewerbsmässigen Betrugs mit einer mutmasslichen Deliktsumme von mehreren hundert Millionen Franken. Als Folge des jetzigen Bundesgerichtsurteils wird die Bundesanwaltschaft verpflichtet, ihm eine Entschädigung von 100 Franken zu zahlen. Wie der 57-jährige Beschuldigte auf Anfrage mitteilt, handelt es sich bei den zwei Büchern, wegen deren Lektüre er zuerst hätte gebüsst werden sollen, um «Kirschen der Freiheit» von Alfred Andersch und «Der Prozess» von Franz Kafka.»
(Quelle: NZZ 17. September 2012)
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