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Rezension
Die beiden Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guatari veröffentlichten 1976 einen experimentellen Essay mit dem Titel Rhizom. Auf gleichermassen funkelnde wie irritierende Weise entwarfen sie darin die Vorstellung eines neuen Denkens. Sie lehnten dabei den Baum oder die Wurzel als Symbole für ein geordnetes Wissen ab und setzen ihnen eine disparate, will heissen rhizomatische Vielheit entgegen, die keiner strengen Hierarchie mehr gehorcht. Dem «Wurzelbuch», wie Deleuze/Guattari schreiben, das vergeblich die Natur zu imitieren versucht, halten sie die «büschelige Wurzel» entgegen, die sich unterirdisch verzweigt und so ein «Vieles» schafft.
Wir brauchen hier nicht ins Detail zu gehen, doch Anna Ospelts Wurzelstudien erinnern unweigerlich an diesen eigensinnigen Essay. Zwar würde die Autorin keinesfalls zustimmen, wenn Deleuze/Guattari von der «lächerlichen Erhabenheit» der Bäume schreiben, doch ganz in ihrem Sinn ist deren Forderung, dass das Buch längst «nicht mehr Einheit des Sinns» vorspiegelt, sondern «ein kleines Werkzeug für ein Aussen» zur kreativen Verfügung der Leser und Leserinnen sein könnte. Der Rhizom-Essay spielt in Wurzelstudien keine offenkundige Rolle, doch er schlängelt sich gewissermassen rhizomatisch durch dieses schmale Prosabuch von Anna Ospelt.
Anna Ospelt: Wurzelstudien, mit vierzig Fotografien, 128 Seiten, Zürich, Limmat, 2020
Ein Beitrag von viceversaliteratur. Die vollständige Rezension von Beat Mazenauer finden Sie hier.
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