Als Beobachterin besitzt Anja Jardine ein scharfes Auge für abschüssige Details und sublime Signale. So in der Erzählung „Badnjars Augen“. Unmittelbar nach Ende des Bosnienkrieges begleitet eine Reporterin den vertriebenen Bosnier Mevsud nach Sarajevo zurück. Seine alte Wohnung ist noch von den Serben besetzt, doch Mevsud möchte sie sehen – und vor allem seinen serbischen Nachbarn und Freund besuchen, bevor dieser laut Friedensvertrag wegzugehen hat. Auf dem Weg begegnen sie Badnjar, einem Bosnier, der sich in der Pose des siegreichen Kriegers gefällt. Doch die Erzählerin achtet nur auf seine Augen, in denen „etwas Bittendes, ein Flehen“ liegt. Während sich Badnjar gleich wieder fasst, verfolgt sein Blick die Erzählerin bis in ihre Träume.
Feinfühlig und behutsam forscht Anja Jardine ihren Figuren nach, die unbeholfen und meist vergeblich auf der Suche nach dem Glück sind. Auch wenn dieses Glück nur wie ein verführerischer Duft an ihnen vorüberzieht, behalten sie dennoch stets einen Rest an Geheimnis, den auch die Erzählerin nur diskret erahnt.
(Beat Mazenauer)
(Langversion auf culturactif.ch)
Kein & Aber, Zürich 2008
ISBN: 978-3-0369-5518-6