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«Ich brauchte nur hier im Caffè della Cancelleria sitzen zu bleiben und das Schreibzeug aus meiner Mappe zu nehmen und die Kaffeetasse und das Ei im Eierbecher beiseite zu schieben und den Block vor mir hinzulegen und zu schreiben anzufangen, und ich war Laszlo Toth und war mehr als Laszlo Toth.»
Der Ich-Erzähler sitzt in einem Café in Rom, gegenüber dem Lateran, und brütet über einem weissen Blatt Papier. Er denkt an die schändliche Tat von Laszlo Toth. Der hatte 1972 die Pietà im Vatikan mit Hammerschlägen beschädigt und war damit dem Ich-Erzähler zuvor gekommen. So bleibt diesem nur übrig, die unrühmliche Tat „vollkommener und perfekter“ mit Worten zu wiederholen.
„Das Ei“, dieses faszinierende, überspannte Zeugnis einer schwärmerischen Passion erzählt in phantastischen Abirrungen vom Wunsch, Maria – Repräsentantin der Frau und der Mutter – und mit ihr die eigene Existenz als Sohn auszulöschen. Dafür imaginiert sich das erzählende Ich in die Nachfolge der christlichen Märtyrer. Nach Freiheit drängend, zugleich gefangen im Reich der Mütter, erträumt es sich eine brüderliche Gemeinschaft. Raebers Roman ist ein einziger, greller Schrei gegen die mütterliche, marianische Instanz. Der verzweifelte Aufruhr gegen die Frau, gepaart mit männlich-mythischer Verzückung, verleiht dieser Prosa etwas seltsam Unzeitgemässes. Doch dem Autor gelingt es, dieses Unzeitgemässe in einer schwül-schwülstigen Sprache aufzufangen, die den heiligen Ernst und den revoltierenden Geist spürbar machen. Keiner widerspiegelt so wie Raeber die Zerrissenheit zwischen Zucht und Ausschweifung, die einst das katholische Milieu in der Innerschweiz wesentlich geprägt haben.
(Beat Mazenauer)
Erb Verlag, Düsseldorf 1981
ISBN: 3-312-00295-8