Für ihre Parabel über das Grosswerden wählt Sylvie Neeman die traditionsreichste symbolische Figurenkonstellation und lässt doch bewusst offen, wer wann gross oder klein sein mag. Zu einer Lektion für Vater und Sohn wird diese kluge, federleichte Geschichte erst durch Ingrid Godon. Die Illustratorin muss Figuren darstellen und wählt, wohl aufgrund des maskulinen Artikels, das Naheliegende.
Ansonsten inszeniert Godon in ihren Bildern kongenial die Modellsituation und deutet sie zugleich in Einzelaspekten. So offenbart schon das Cover, wer im Zentrum steht: der Kleine, indem er als Figur ausgemalt und nicht nur konturiert ist - wie der Vater. Den stellt sie schemenhaft in den Vordergrund und den Sohn in dessen Schatten. Godons darstellerisches Prinzip – im selben Bild manches nur anzudeuten, anderes auszugestalten – gibt ihren Illustrationen Dichte und Transparenz, bildet sie doch Vorder- wie Hintergründiges, Sichtbares und Unsichtbares wie Gedanken und Gefühle simultan ab. Sie zeigt Fremdheit und Nähe und offenbart so die Intensität zwischenmenschlicher Augenblicke.
Ina Nefzer
(Quelle: SIKJM)
Mixtvision, München 2015
ISBN: 978-3-95854-019-4