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«Solange keine Aufnahmen des Wolfes existieren, existiert auch der Wolf nicht. Nur weil keine Aufnahmen des Wolfes existieren, heisst das noch lange nicht, dass er sich nicht auf dem Gelände aufhält.»
Eine junge Frau arbeitet als Nachtwächterin in einer Fabrik, die Faltboxen aus Wellkarton herstellt. Der Betrieb hat die besten Tage hinter sich, nur noch wenige Beschäftigte arbeiten in der Fabrik. Mit der Erzählerin teilt sich Clemens in die Nachtwache. Eigentlich geschieht nichts – bis das Gerücht auftaucht, ein Wolf sei auf dem Gelände gesichtet worden, bei den Kochabfällen. Der Wolf aktiviert bei der Erzählerin wilde Fantasien. Ein zweites Phantasma beschäftigt sie: In der Nachbarschaft fiel einst ein dunkelhäutiger Mann, den niemand kannte, einfach aus dem Himmel und schlug in einem Waldstück auf. Wo liegen die grenzen zwischen Himmel und Erde, zwischen Natur und Zivilisation? Auf diesen Grenzfragen balanciert die Erzählerin – von Gianna Molinari mit Bedacht und unspektakulär eingefangen. Die Weite des Himmels und die irdische Begrenztheit laden sich gegenseitig in der Gedankenwelt der Erzählerin auf. Schliesslich wird der Wolf real. Gianna Molinari entwickelt dieses Gefüge eines bewegten Stillstands sorgsam und akribisch mit einer nüchternen und sachlich einordnenden Sprache. Der Roman «Hier ist alles noch möglich» zeichnet sich durch seine stilistische Kompaktheit aus. Die beiden widerstrebenden Bewegungsmuster: Stillstand und Beschleunigung, halten sich die Waage. Im Lauern des Wolfs, im Fall aus dem Flugzeug, in der funktionstüchtigen, doch stotternden Fabrik spiegelt sich atmosphärisch der innere Zustand und Zwiespalt der Erzählerin. Ihre scheinbare Unerschütterlichkeit ist womöglich nicht von Dauer. Aber die Dinge verharren in einem Schwebezustand verharren. Noch bleibt alles möglich, noch kann alles werden – oder auch nichts.
(Beat Mazenauer)
Aufbau Verlag, Berlin 2018
ISBN: 978-3-351-03739-0