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«Dass ich Flavian von Sjuganow erzählen muss, kann ihm, wohl zu Recht, in diesem musikalischen Zusammenhang unpassend erscheinen, aber irgendwie will die Kulisse selten zu meinen Erzählungen passen, oft falle ich aus der Zeit – und mir wird klar, dass die Zeit, in der ich lebe und gelebt habe, nur ein Abklatsch jener Zeiten ist, die ich mir am besten vorstellen kann.»
In ihre Heimatstadt Bukarest zurückgekehrt, wird Victoria alsbald Zeugin eines Banküberfalls, für dessen Verarbeitung man sie beurlaubt. Doch was sich zunächst als willkommene Gelegenheit ankündigt, mit der Vergangenheit aufzuräumen und endlich «das Administrative für die meiner Familie zurückerstatteten Häuser, Wälder und Weinberge zu regeln – die vier Grüfte auf dem Bellu-Friedhof nicht zu vergessen», erschüttert die Grundmauern ihrer Existenz.
Auf der Suche nach der verschütteten Zeit wird Victoria allmählich bewusst, dass Erinnerung, Vorstellung und Wirklichkeit nicht immer deckungsgleich sind, dass sie sich das «primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» ihrer Kindheit vielleicht nur eingebildet hat. Lauert nicht etwa hinter den farbigen Folien der Erinnerungsbilder stets auch die Brutalität des rumänischen Ceausescu-Regimes? Es ist schliesslich eine tragische Erkenntnis, auf die der psychologisch sensible Roman unwillkürlich zusteuert: Victoria dämmert erst jetzt, dass ihre kindliche Fabulierlust eines Tages dazu geführt haben muss, ihre eigene Mutter verraten zu haben.
In der narrativen Überlagerung von Orten und Zeiten bricht sich zwischen den Zeilen eine mit Sebald gesprochen «unheimliche Heimat» Bahn. Selbst das Erzählen taugt als Remedium nur bedingt, vielmehr reisst es allenthalben Wunden auf, ist sogar mit Schuld beladen. Die oftmals irrwitzigen, surrealen Einfälle des Alltäglichen, und das zeichnet dieses vielschichtige Buch aus, erzeugen eine tragikomische Ambivalenz, die berührt.
«Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» ist nach ihrem Debüt mit Baba Rada der zweite Roman von Dana Grigorcea. Mit einem Auszug daraus gewann die in Zürich lebende Autorin am Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 den 3sat-Preis.
(Marc Caduff)
Dörlemann, Zürich 2015
ISBN: 978-3-03820-921-8
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