Flurin Spescha

Wie wärs mit etwas Meer?

«Scot tut ils auters er. / Mintgin sa taglia en l'atgna pel. / Mintgin envida e stizza. / E mintgin morda sin ils dents. // Segns da vita.» (Wie alle andern auch. / Jeder schneidet sich ins eigene Fleisch. / Jeder zündet an und löscht aus. / Und jeder beisst auf die Zähne. // Lebenszeichen.)

Zwei Jahre nach dem allzu frühen Tod von Flurin Spescha (1958-2000) erschien eine Sammlung von verstreuten und teils unveröffentlichten Texten, die die bemerkenswerte Vielfalt dieses Autors und Journalisten demonstrierten. Spescha war ein Rebell, Luftibus und Träumer, dem, wie Iso Camartin im Nachwort schreibt, niemand ernsthaft eine Chance einräumen wollte: «Überall ist er mit seinen Angeboten abgeblitzt.» Erst drunten in Zürich fand er das nötige Vertrauen. Das mochte vielleicht auch damit zusammenhängen, dass er früh für das Rumantsch Grischun eintrat, um nicht «an der Sauerstoffarmut des Idioms» zu ersticken. Im Titelessay reibt er sich an der romanischen Sprache, die in fünf Idiome unterteilt nie wirklich zusammen gefunden habe. Dafür mit verantwortlich hält er auch die Politik, deren Versuche zur Einheit «immer wieder am Bollwerk von Partikularinteressen, Neid, regionalem Patriotismus, Engstirnigkeit und Angst» scheitern.
«Wie wärs mit etwas Meer?» gibt, in zwei Sprachen, das Zeugnis einer grossen literarischen Passion. Der Band versammelt Poetisches, Prosaisches und Politisches. Im Titel klingt das Spielerische an, das in den «Malizias / Bosheiten» besonderen Ausdruck findet. In Dreisätzen nimmt er die alltäglichen Kommunikationsbarrieren pointiert und kritisch aufs Korn. Spescha war zeitlebens ein Phantast und Träumer, der gerne mit literarischen Formen spielte, aber auch seinem politischem und kulturpolitischem Elan freien Lauf liess.

(Beat Mazenauer)

Pendo Verlag, Zürich, München 2002

ISBN: 978-3-85842483-9