In diesem Spannungsfeld entfaltet er ein Nachdenken, das gerne auch die eigene Person in die Verantwortung nimmt. „Der Übergewichtige trägt buchstäblich selbst schwer an seiner Schuld“, hält er mit Blick auf sich zum einen, zum andern auf das Thema der Askese fest. Woher kommt dieser lebensfeindlich Kult des massgerechten Körpers, der dafür malträtiert werden muss. Der Körper habe sich, schreibt er, längst „vom Ausdrucksmittel zum Kapital“ verwandelt, zur humanen Ressource, die ausgebeutet werden kann. Dieser Ausbeutung hält er mit Menippos oder Rabelais einen karnevalesken Spott entgegen, der die Fülle feiert. Ob es um den Maschinen-Menschen geht oder die Unvernunft der Entscheidung geht, immer hält er ein Mass des Menschlichen, das sich zuallererst darin zeigt, dass jeder Mensch singulär ist, also die Ausnahme.
Strassbergs Buch ist ein wohltuendes Remedium gegen die diskursive Aufgeregtheit, die es nur allzu oft schafft, die drängenden Fragen und Probleme hinter Scheinkonflikten zu verdrängen. „Die Gegenspielerin des Rechthabens ist die Empathie“, liesse sich als Motto darüber setzen. Es geht dabei keineswegs um ein voreiliges Einverständnis, c'est le ton qui fait le discours.
(Beat Mazenauer)
Rpotpunktverlag, Zürich 2022
ISBN: 978-3-85869-960-2